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Montag, 6. Oktober 2008

Er hat einen – seinen - meinen Traum verwirklicht.



Er hat einen – seinen - meinen Traum verwirklicht.



„Von Beruf bin ich eigentlich Architekt“ sagt der Älpler, der mir in seinem karierten, sauberen Barchent-Hemd, Jeans und festem Schuhwerk gegenübersteht.
Eigentlich verwundert hat mich diese Aussage nicht, denn mir war sofort klar, dass ich hier auf einen aussergewöhnlichen Hirten getroffen bin, als ich nach über einer Stunde eher steilem Aufstieg im Mythengebiet ob Schwyz, an einem Brunnen, aus dessen Röhre ein fadendünner Wasserstrahl fliesst, stehen geblieben bin, um etwas zu Verschnaufen und einen Apfel zu essen.
Bereits einigen Minuten zuvor habe ich den Alphirt unsichtbar gehört, wie er weiter oben im Hang wiederholt, mit gleichmässigem Ruf, sein Vieh lockte und bereits nach der übernächsten Wegbiegung trottet mir auch schon gemütlich sein zottelhaariger Border Collie entgegen. Damit fordert er aber unseren zehnjährigen und inzwischen auch etwas angriffigen Jack Russell Terrier zu einem verärgerten Bellen heraus, auch wenn der um einiges Kleinere sich schlussendlich, zum Schutz vor seinem vermeintlicher Gegner, feige hinter mir verkriechen würde. Aber, sich seiner körperlichen und jugendlichen Überlegenheit bewusst, lässt sich der gutmütige Hirtenhund vorerst nicht aus der Ruhe bringen und schlabbert seelenruhig aus dem Wassertrog, während ich den, auf den Hinterbeinen stehenden Kläffer an der kurzen Leine halte. Kurz danach erreicht mich, mit ausholenden Schritten, auch der Älpler und begrüsst mich grinsend mit einem freundlichen „Guet Tag“, wie man es sich vom Dialekt her von den Einheimischen dieser Gegend gewohnt ist. Dieser, vielleicht um ein paar Jährchen ältere Mann, ist mir auf Anhieb sympathisch und es entwickelt sich wie selbstverständlich ein angeregtes Gespräch über Hunde und Herde.
Er sei mit seinem Hund jeden Morgen drei bis vier Sunden unterwegs, um die grosse Viehherde im ausgedehnten Weidegebiet zu besuchen und zu kontrollieren. So gegen zehn Uhr laufe er danach unter der Woche beinahe täglich den halbstündigen Bergweg zum Auto hinunter , um dank der Fahrbewilligung zum Mittagessen Zuhause bei der Frau im Tal zu sein. Am Nachmittag verrichte er dann die nötige Arbeit für sein eigenes Architekturbüro, das im Sommer nur sehr reduziert in Betrieb sei. Dafür nehme er jedoch im Winter ein paar Überstunden auf sich , um sich dieses sommerliche Älplerleben leisten zu können. Am frühen Abend komme er dann - mit dem Nötigste für sich und seinen vierundachzigjährigen Alppartner, im Rucksack - wieder auf die Alp, um das Vieh zu versorgen.
„Ich habe schon immer davon geträumt, später - im Alter, die geerbte Bergweide meiner Vorfahren zu bewirtschaften“ sagt er und aus seinem entspannten Gesicht, mit der gesunden Farbe von viel frischer Luft, strahlen mich dabei zwei leuchtende, glückliche Augen an.
Nachdem nun vor vier Jahren sein betagter Partner die angrenzende Alp, auf der er seit Geburt jeden Sommer verbracht hatte, hätte aufgeben müssen, habe er sich entschlossen, diese Lebensumstellung bereits einige Jahre früher zum Wohle beider, umzusetzen. So seien sie übereingekommen, die beiden beieinander liegenden Weiden gemeinsam zu bewirtschaften.
„Damit kann mein greiser Freund die Sommer wie gewohnt auf seiner geliebten Alp verbringen und die Alpverträge mit den Talbauern müssen nicht gekündigt werden.“
Das komme auch ihm entgegen, meint er dann, um nicht allzu gönnerhaft zu wirken. Denn seien die Verträge einmal weg, sei es für ihn fast unmöglich, in ein paar Jahren, fremdes Vieh für seine Alp zu finden, denn eigenes habe er ja keines. Zudem sei seine Alp für eine vernünftige Bewirtschaftung – alleine, auch zu klein.
Am Anfang sei es schon schwer gewesen, weil er seinen Betrieb nicht von einem Tag auf den Anderen so stark habe umstellen können. So sei er Anfangs immer morgens um vier, nachdem er bis nach Mitternacht im Büro gearbeitet hatte, bis am Vormittag zur Alp gefahren und am späten Nachmittag nochmals um das Vieh für die Nacht zu versorgen. Darum habe er oft nur wenige Stunden Schlaf gefunden. Aber es habe sich gelohnt! resümiert er mit bestimmter Stimme
„Manchmal muss man sich sein Glück halt mit viel Mühsal zuerst verdienen“, sagt er lachend und will mir, nachdem er die Quell-Öffnung für das Brunnenwasser gereinigt hat, noch schnell den Weg zur etwas versteckten Alphütte seiner Vorfahren zeigen.
„Wenn sie dort hinten, in diesem kleinen Paradies angekommen sind, werden sie genau wissen, warum es sich gelohnt hat“, sagt er noch geheimnisvoll. „Gerade sie, werden es spüren - das weiss ich bestimmt¨“

Man sollte seine Träume verwirklichen, egal wie umständlich es ist, denke ich mir, als ich bei seiner entlegenen Alphütte ankomme - während er - heute sicher viel zu spät - dem Tal entgegen fährt.

©® Copyright by Herr Oter



:-)

2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

eine schöne Geschichte... vielen Dank dafür!

Herr Oter hat gesagt…

Vielen Dank für den Eintrag.
Schön, dass die Geschichte Ihnen gefallen hat.