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Dienstag, 19. April 2016

Ich wollte nie Lokomotivführer werden




Ich wollte nie Lokomotivführer werden


Als Kind wollte ich nie, wie die anderen, ein Pilot, Lokomotivführer, Fussball-Profi oder Polizist werden. Ich wollte ein Senn sein! Der Stallgeruch hatte es mir angetan.

Natürlich lag ich auch damit wieder 'verkehrt'. Denn in unserer Familie gab es weder einen Stall, noch war jemand in der Verwandtschaft ein Bauer. Vermutlich gibt es sogar in unserem ganzen Stammbaum, seit unseren Walser-Vorfahren, kaum noch Alphirten oder Sennen.

Aber auf meinem Schulweg lagen drei Bauernbetriebe und besonders den von Bauer Hartmann besuchte ich täglich mehrmals. Ich kannte jede Kuh im Stall – es gab zwar nicht viele, aber ich war über jedes Geschehen im Stall immer bestens informiert. So dauerte mein Schulweg halt meistens auch einiges länger, als bei meinen Brüdern. War eine krank oder kam bald ein Kalb zur Welt, konnte es auch einmal noch etwas später werden. Das gab dann einigen Ärger, besonders in der Schule und manchmal halt auch Zuhause, wenn ich es übertrieb. Aber das Leben im Stall war für mich einfach spannender, als die blöde Schule und die lästigen Hausaufgaben.

Dafür hatte ich dann Zuhause, als Entschuldigung sozusagen, immer etwas Spannendes zu erzählen.
Besonders meine Mutter war, nachdem der erste Ärger abgeflaut war, an meinen Erzählungen aus dem Stall durchaus interessiert, denn sie war in der Stadt aufgewachsen. So hätte sie, erzählte sie später manchmal, auch interessiert meinem atemlos vorgetragenen Bericht über die Geburt eines Kalbes zugehört. Blöd sei nur gewesen, dass just in dem Moment, als es richtig spannend wurde und „da hinten bei der Kuh etwas herausgekommen“ sei, Bauer Hartmann zu mir gesagt hätte, es wäre nun wohl besser, wenn ich nach Hause gehen würde.

Doch in so einem Stall erfuhr man natürlich nicht nur Stallgeschichten, da war durchaus das halbe Dorfgeschehen ein Thema und ich, als aufmerksamer Zuhörer, brachte diese Neuigkeiten dann nach Hause. Damit konnte ich glänzen, im Gegensatz zu meinen schulischen Leistungen.

Schon bald hatte mein Vater für mich einen scherzhaften Übernamen gefunden: 'Early Bird' – den Namen des ersten kommerziellen geostationären Fernsehsatelliten weltweit, der damals ins All befördert wurde. Dieser 'Early Bird' konnte sagenhafte 240 Telefongespräche oder eine Fernsehsendung von weither übertragen und war damit der Beginn der internationalen Telekommunikation.

Damals, im Gegensatz zu heute, war es nicht üblich, volkstümliche Musik im Stall abzuspielen, damit die Kühe sich wohler fühlten und mehr Milch gaben. Trotzdem war ich ganz begeistert von 'Ländlermusik' und Jodel-Gesang. Natürlich wieder als einziger in der Familie. So war dann auch meine erste eigene Schallplatte aus dieser volkstümlichen Musiksparte. Diese kleine schwarze Vinil-Scheibe, ich hatte sie geschenkt bekommen, enthielt vier Jodellieder, komponiert vom „Holzgüetler“ Siegfried Zihlmann-Steffen und gesungen von der Älplerjodlergruppe Zihlmann aus Schüpfheim. 




Ein Lied darauf hiess 'Du Allerwelts Schätzeli', ein anderes 'z’Flüeli Dörfli'. Es beschreibt ein kleines Örtchen im von mir damals weit entfernten Entlebuch. Ich habe diese beiden Lied bestimmt einige hundertmal abgespielt und noch heute, nachdem ich sie Jahrzehnte nicht mehr gehört habe, erzeugten sie bei mir noch immer die gleichen Empfindungen wie damals. (Hier eine Coverversion)

Einige Jahre später habe ich dann, weit ab von Zuhause, in einer grossen Stadt, ein nettes 'Mädchen' aus genau diesem 'Flüeli Dörfli’ getroffen. Sie blieb während dreissig Jahren meine Partnerin …
Zufall oder Vorhersehung?


Um eine 45er Vinylschallplatte  und eine Kindererinnerung geht es auch in einer früheren Anekdote


:)

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