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Samstag, 9. Februar 2013

Fasnacht









Fasnacht

Dort, wo ich aufgewachsen bin, im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden, gab es damals keine „traditionelle“ Fasnacht.

Der Grund war, dass die deutschsprechenden Orte meistens reformiert sind und sie darum das Maskeradenlaufen – ein heidnischer Brauch zur Vertreibung des Winters – nicht pflegten. Ausser in der Gemeinde Domat/Ems. In der, seit Mitte des 20. Jahrhundert mehrheitlich deutschsprechenden, katholischen Gemeinde mit romanischen Wurzeln in den Nähe von Chur, hat sich die Fasnacht in einer schon damals ganz besonderen Tradition erhalten. Der „Tscheiver“ wie man die närrische Zeit in Domat (romanisch) / Ems (deutsch) nennt, endet dort nämlich mit dem „Schmutzigen Donnerstag“ und nicht am Aschermittwoch.  

Rheinabwärts jedoch, im katholischen St. Galler Rheintal, war damals die traditionelle Dorffasnacht am Fasnachts-Sonntagnachmittag oft anzutreffen. Eine typische, kernige Vereinsfasnacht, immer lustig, oft etwas naiv und manchmal ein wenig zotig.

Lautlich dem dortigen Dialekt angepasst – indem nach romanischer Art das «s» vor dem Konsonant zum «sch» wurde – bastelten wir drei Buben, trotz fehlender Dorftradition in unserer Bündner Gemeinde, bemalte „Maschgara“ aus Papier und Fischkleister.
Soweit ich mich erinnern kann, waren wir damals in unserem Dorf so ziemlich die einzigen, die ihr Gesicht hinter selbstgebastelten „Maschgara“ verbargen – um vor allem den kreischenden Mädchen das Fürchten zu lernen. 
Diese Besonderheit kam daher, weil unsere Mutter eine „Baslerin“ war und so natürlich die "richtige" Fasnacht im Blut hatte und nichts von den üblichen Kunststoff-Masken hielt. 

Dort, in einer der beiden Hochburg der schweizerischen Fasnacht, gehört eben „d' Larve“ aus Pappmaché, neben dem „Goschdym“ zwingend zur Grundausrüstung eines jeden aktiven „Fasnächtlers“. Das Schminken des Gesichtes aber, wie es in vielen Gegenden gang und gäbe ist, ist in Basel stark verpönt. Da heisst es: „Larve oder Nüt“!



Das mussten meine ehem. Frau und ich eindrücklich erfahren, als ich ihr, einer „angefressenen“ Luzerner-Fasnächtlerin, vor bald vierzig Jahren „meine“ Basler Fasnacht, die ich als Kind mit „Mami“ und „Grossvati“ einige Male besuchen durfte, zeigen wollte. Da galt es Überzeugungsarbeit zu leisten, denn die Unterschiede zwischen dem „rüüdig“ urig-wilden Treiben in der katholischen Innerschweiz und der militärisch-gesitteten, gepflegten „Clique-Fasnacht“ im reformierten Basler sind beträchtlich, wobei jede unbestrittenen ihren Charme und Reiz hat.
Aber besonders das dort übliche "Drummle und Pfiffe" schmerzt "aus der Ferne betrachtet", scheinbar beträchtlich in den ungewohnten Luzerner Ohren.


So standen wir beide also, am Montagmorgen nach Aschermittwoch, als Clowns schön verkleidet und dementsprechend auch geschminkt, wie wir es von Luzern her gewohnt waren, erwartungsvoll um vier Uhr in der Früh bereit, für den „Morgestraich“.

Aber bereits kurz nach dem Kommando „Morgestraich, vorwärts, Marsch“, wurde uns, vor allem durch die vorlauten „Waggis“ (einer traditionellen Einzelmaske, die einen Elsässer Tagelöhner in der Arbeitstracht des Elsässer Gemüsebauern darstellen soll) mit ihren frechen Sprüchen, ein paar Hieben mit der „Saublootere“ (aufgeblasener Schweinedarm) und haufenweise „Räppli“ (Konfetti), die sie uns in unsere "unangebrachte" Verkleidung stopften, klargemacht, dass „die fremden Fötzel" hier lieber in Strassenkleidung gesehen werden. 
Ganz im Unterschied zu Luzern, wo jede und jeder immer ein Teil der schaurig-schönen, urwüchsigen Fasnacht ist. Egal, ob mehr oder weniger verkleidet, geschminkt oder maskiert oder auch einfach als „alltägliche Figur“, darf man immer am fasnächtlichen Treiben mitmachen.



Wir hatten den „wichtigen“ Unterschied aber schnell begriffen und uns noch vor der traditionellen Mehlsuppe und der "Ziebele- oder Chäswaie" (Zwiebel- / Käsekuchen) schleunigst umgezogen.







Ein Wort noch zur Schreibweise der närrischen Zeit:


Sowohl die Entstehung, als auch die Herkunft der Fas(t)nacht ist unklar und die Fachwelt hat bis heute keine eindeutige Erklärung gefunden. Darum gelten auch zwei Schreibweisen als gebräuchlich.

Volksetymologisch wird das Wort Fastnacht oft an das althochdeutsche «fasta» (Fastenzeit) und «naht» (Nacht, Vorabend) angeschlossen und angegeben, der Name bezeichne ursprünglich den Tag oder die Nacht (ab dem 15. Jahrhundert auch die Woche) vor Beginn der Fastenzeit.



Im schweizerischen Raum hingegen hat sich die Fasnacht gehalten und diese Schreibweise ist sprachgeschichtlich genau so gut belegt.

Denn der Ausdruck soll nichts mit Fasten zu tun haben, wie es die (im deutschen gebräuchliche) "Fastnacht" nahelegt.

Ganz im Gegenteil: Er leitet sich ab von mittelhochdeutsch "faseln" (= Unsinn treiben, fruchtbar sein, gedeihen), meint also gerade das Gegenteil der ernsten, verzichtsreichen Fastenzeit. Also eher ein Fruchtbarkeitsfest im Vorfrühling, worauf auch heute noch manche Bräuche, Spiele und feuchtfröhliche „Bekanntschaften“ an diesen närrischen Tagen (mit ungewollten Folgen zum Jahresende) hindeuten könnten.
©/® Copyright by Herr Oter




;)






3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Dieses Jahr in Basel dabei :-) (an dr richtige Fasnacht;-) )
T.O.&O.

Njala hat gesagt…

Vielen Dank für den interessanten Einblick zu diesem Brauch aus der Schweiz. In deutschland gibt es ja zwei Faschings-Hochburgen Köln und Mainz, darüber hinaus habe ich so den eindruck, werden die Menschen im Land immer Faschings muffliger. Es ist hier brauch, dass Kinder an der Tür klingeln und mit dem Spruch 'bin e arma Keenich, geb ma ned s weeenich...' Süßigkeiten erbitten. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer, so dass ich meine Mädels nur sehr ungern noch von Haustür zu Haustür ziehen lasse.

Liebe Grüße und einen superschönen Sonntag noch!
N.

Herr Oter hat gesagt…

@T.O.&O.
Toll! Es wäre auch für mich wieder mal an der Zeit, die Basler Fasnacht zu besuchen. Ich hätte wieder eine Luzernerin, der man diese andere Fasnacht etwas näher bringen sollte ;)

Ich mag beide gerne, Luzern und Basel. Jede hat ihren Charme und ihre Besonderheiten. Die Luzerner ist mir inzwischen einfach etwas vertrauter.

@Njala:
Ja, es ist schade, dass vor allem die kleineren, ländlichen Bräuche zum Teil immer weniger Zuspruch finden.
Dafür werden andere zu Grossveranstaltungen und manchmal nimmt der Kommerz überhand.

Wie in vielem der heutigen Zeit, eine immer gegensätzlichere Entwicklung und das gute alte Mittelmass bleibt immer öfter auf der Strecke.

Ich wünsche Euch beiden noch einen schönen Ausklang der Fasnachtszeit und einen gemütlichen Abend.

Liebe Grüsse
Re