Fasnacht
Dort, wo
ich aufgewachsen bin, im deutschsprachigen Teil des Kantons
Graubünden, gab es damals keine „traditionelle“ Fasnacht.
Der Grund
war, dass die deutschsprechenden Orte meistens reformiert sind und
sie darum das Maskeradenlaufen
– ein heidnischer Brauch zur
Vertreibung des Winters – nicht pflegten. Ausser in der Gemeinde
Domat/Ems. In der, seit Mitte des 20. Jahrhundert mehrheitlich
deutschsprechenden, katholischen Gemeinde mit romanischen Wurzeln in
den Nähe von Chur, hat sich die Fasnacht in einer schon damals ganz
besonderen Tradition erhalten. Der „Tscheiver“ wie man die
närrische Zeit in Domat (romanisch) / Ems (deutsch) nennt, endet
dort nämlich mit dem „Schmutzigen Donnerstag“ und nicht am
Aschermittwoch.
Rheinabwärts
jedoch, im katholischen St. Galler Rheintal, war damals die
traditionelle Dorffasnacht am Fasnachts-Sonntagnachmittag oft
anzutreffen. Eine typische, kernige Vereinsfasnacht, immer lustig, oft
etwas naiv und manchmal ein wenig zotig.
Lautlich dem dortigen Dialekt angepasst – indem nach romanischer Art das «s» vor dem Konsonant zum «sch» wurde – bastelten wir drei Buben, trotz fehlender Dorftradition in unserer Bündner Gemeinde, bemalte „Maschgara“ aus Papier und Fischkleister.
Soweit
ich mich erinnern kann, waren wir damals in unserem Dorf so ziemlich
die einzigen, die ihr Gesicht hinter selbstgebastelten „Maschgara“
verbargen – um vor allem den kreischenden Mädchen das Fürchten zu
lernen.
Diese Besonderheit kam daher, weil unsere Mutter eine
„Baslerin“ war und so natürlich die "richtige" Fasnacht im Blut
hatte und nichts von den üblichen Kunststoff-Masken hielt.
Dort, in
einer der beiden Hochburg der schweizerischen Fasnacht, gehört eben „d'
Larve“ aus Pappmaché, neben dem „Goschdym“ zwingend zur Grundausrüstung
eines jeden aktiven „Fasnächtlers“. Das Schminken des Gesichtes
aber, wie es in vielen Gegenden gang und gäbe ist, ist in Basel
stark verpönt. Da heisst es: „Larve oder Nüt“!
Das
mussten meine ehem. Frau und ich eindrücklich erfahren, als ich ihr,
einer „angefressenen“ Luzerner-Fasnächtlerin, vor bald vierzig
Jahren „meine“ Basler Fasnacht, die ich als Kind mit „Mami“
und „Grossvati“ einige Male besuchen durfte, zeigen wollte. Da
galt es Überzeugungsarbeit zu leisten, denn die Unterschiede
zwischen dem „rüüdig“ urig-wilden Treiben in der katholischen
Innerschweiz und der militärisch-gesitteten, gepflegten
„Clique-Fasnacht“ im reformierten Basler sind beträchtlich, wobei jede
unbestrittenen ihren Charme und Reiz hat.
Aber besonders das dort übliche "Drummle und Pfiffe" schmerzt "aus der Ferne betrachtet", scheinbar beträchtlich in den ungewohnten Luzerner Ohren.
So
standen wir beide also, am Montagmorgen nach Aschermittwoch, als
Clowns schön verkleidet und dementsprechend auch geschminkt, wie wir
es von Luzern her gewohnt waren, erwartungsvoll um vier Uhr in der Früh bereit,
für den „Morgestraich“.
Aber
bereits kurz nach dem Kommando „Morgestraich, vorwärts, Marsch“,
wurde uns, vor allem durch die vorlauten „Waggis“ (einer
traditionellen Einzelmaske, die einen Elsässer Tagelöhner in der
Arbeitstracht des Elsässer Gemüsebauern darstellen soll) mit ihren
frechen Sprüchen, ein paar Hieben mit der „Saublootere“
(aufgeblasener Schweinedarm) und haufenweise „Räppli“
(Konfetti), die sie uns in unsere "unangebrachte" Verkleidung stopften,
klargemacht, dass „die fremden Fötzel" hier lieber in
Strassenkleidung gesehen werden.
Ganz im Unterschied zu
Luzern, wo jede und jeder immer ein Teil der schaurig-schönen, urwüchsigen Fasnacht ist. Egal, ob mehr oder weniger verkleidet,
geschminkt oder maskiert oder auch einfach als „alltägliche Figur“, darf man immer am fasnächtlichen Treiben mitmachen.
Wir
hatten den „wichtigen“ Unterschied aber schnell begriffen und uns
noch vor der traditionellen Mehlsuppe und der "Ziebele- oder
Chäswaie" (Zwiebel- / Käsekuchen) schleunigst umgezogen.
Ein Wort
noch zur Schreibweise der närrischen Zeit:
Sowohl
die Entstehung, als auch die Herkunft der Fas(t)nacht ist unklar und die Fachwelt hat bis heute keine eindeutige
Erklärung gefunden. Darum gelten auch zwei Schreibweisen als
gebräuchlich.
Volksetymologisch
wird das Wort Fastnacht oft an das althochdeutsche «fasta»
(Fastenzeit) und «naht» (Nacht, Vorabend) angeschlossen und
angegeben, der Name bezeichne ursprünglich den Tag oder die Nacht
(ab dem 15. Jahrhundert auch die Woche) vor Beginn der Fastenzeit.
Im
schweizerischen Raum hingegen hat sich die Fasnacht gehalten und diese
Schreibweise ist sprachgeschichtlich genau so gut belegt.
Denn der
Ausdruck soll nichts mit Fasten zu tun haben, wie es die (im
deutschen gebräuchliche) "Fastnacht" nahelegt.
Ganz im
Gegenteil: Er leitet sich ab von mittelhochdeutsch "faseln"
(= Unsinn treiben, fruchtbar sein, gedeihen), meint also gerade das
Gegenteil der ernsten, verzichtsreichen Fastenzeit. Also eher ein
Fruchtbarkeitsfest im Vorfrühling, worauf auch heute noch manche
Bräuche, Spiele und feuchtfröhliche „Bekanntschaften“ an diesen
närrischen Tagen (mit ungewollten Folgen zum Jahresende) hindeuten könnten.
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;)
3 Kommentare :
Dieses Jahr in Basel dabei :-) (an dr richtige Fasnacht;-) )
T.O.&O.
Vielen Dank für den interessanten Einblick zu diesem Brauch aus der Schweiz. In deutschland gibt es ja zwei Faschings-Hochburgen Köln und Mainz, darüber hinaus habe ich so den eindruck, werden die Menschen im Land immer Faschings muffliger. Es ist hier brauch, dass Kinder an der Tür klingeln und mit dem Spruch 'bin e arma Keenich, geb ma ned s weeenich...' Süßigkeiten erbitten. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer, so dass ich meine Mädels nur sehr ungern noch von Haustür zu Haustür ziehen lasse.
Liebe Grüße und einen superschönen Sonntag noch!
N.
@T.O.&O.
Toll! Es wäre auch für mich wieder mal an der Zeit, die Basler Fasnacht zu besuchen. Ich hätte wieder eine Luzernerin, der man diese andere Fasnacht etwas näher bringen sollte ;)
Ich mag beide gerne, Luzern und Basel. Jede hat ihren Charme und ihre Besonderheiten. Die Luzerner ist mir inzwischen einfach etwas vertrauter.
@Njala:
Ja, es ist schade, dass vor allem die kleineren, ländlichen Bräuche zum Teil immer weniger Zuspruch finden.
Dafür werden andere zu Grossveranstaltungen und manchmal nimmt der Kommerz überhand.
Wie in vielem der heutigen Zeit, eine immer gegensätzlichere Entwicklung und das gute alte Mittelmass bleibt immer öfter auf der Strecke.
Ich wünsche Euch beiden noch einen schönen Ausklang der Fasnachtszeit und einen gemütlichen Abend.
Liebe Grüsse
Re
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