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Dienstag, 12. März 2013

Schönheit



Schönheit


"Die Seele eines Menschen ist grundsätzlich dem Schönen zugeneigt",
erklärte bereits die Priesterin Diotima ihrem Gesprächspartner Sokrates in Platons Dialog "Symposion".

"Schönheit" ist ein abstrakter und relativer Begriff. Auch ist es eher eine allgemeine und nicht besonders präzise Umschreibung. "Schön" kann für jeden etwas anderes bedeuten und dieses Attribut ist auch immer stark vom Zeitgeist und von wechselnden Schönheitsidealen abhängig, und doch wird das Wort "schön" ständig verwendet und hat eine geradezu inflationäre Bedeutung bekommen.
Obschon sich Schönheit nicht definieren lässt, kann sie  jeder von uns jedoch beurteilen. Schönheit ist das Ideal oder die Vorstellung eines Ideals, auf das wir uns beziehen, wenn wir etwas werten. Sei das ein menschlicher Körper, irgend ein Gegenstand, eine geistige Errungenschaft, eine Landschaft oder ein Gefühl.
Schönheit bezeichnet immer etwas Positives – genau wie das Gegenteil, die Hässlichkeit, ein durchwegs negativ besetzter Begriff ist.

Es wird allgemein angenommen, dass etwas Neues, das von Menschen erschaffen wurde, mindestens zu Zweidritteln aus Altem bestehen muss, um nach allgemeiner Übereinkunft schön zu sein. Ich vermute, dass mit zunehmender Dauer demnach Gegenstände (und auch Menschen?), je länger man sie kennt, schöner werden.
Schönheit könnte deshalb vor allem eine Frage der Vertrautheit sein, angereichert mit einer tüchtigen Dosis Nostalgie. Das fällt natürlich bei älteren Menschen, mit einer grösseren Rückschau, mehr ins Gewicht als bei jungen Leuten. Dieser Unterschied fällt mir immer wieder und besonders, in der Architektur auf. Mit Schönheit wird also meistens etwas bezeichnet, das man irgendwie kennt und das einen angenehmen Eindruck hinterlässt. Aber auch über das "Angenehme" lässt sich nicht streiten, weil jeder etwas anderes als angenehm empfindet.

Die Schönheit hatte jedoch noch nie einen so hohen Stellenwert wie heute und manchmal könnte man meinen, sie stehe über allem.
Besonders die körperliche Schönheit eines Menschen war in der Wahrnehmung einer breiten Gesellschaft noch nie so wichtig wie heute, auch wenn der, dem die allgemeinübliche, äussere Schönheit von der Natur nicht gegeben ist, vermutlich schon immer benachteiligt war.
So wird heute auch in breiten Bevölkerungsschichten sehr viel Geld und Mühe investiert, um anhaltend den geltenden Schönheitsidealen entsprechen zu können.  Denn die Menschen werden in zunehmendem Masse zuerst nach ihrem Aussehen und erst dann nach ihren Fähigkeiten beurteilt oder zumindest bei gleicher Qualifikation wird die/der "Schönere" bevorzugt.
Schöne haben es, vereinfacht gesagt, bedeutend leichter im Leben.

Der unsägliche Körperkult nimmt heutzutage auch keine Rücksicht mehr auf das Geschlecht oder auf die Lebensphase. Vom hübschen Baby, über die attraktiven Jungen bis hin zu den "interessanten", guterhaltenen Senioren ist keiner vom Schönheitsideal befreit. Manchmal wird sogar noch von der "schönen Leiche" gesprochen. Dementsprechend wird auch von der Wiege bis zur Bahre tüchtig  "geschönt"

Wer mit der äusseren Schönheit nicht mithalten kann, der hofft halt noch auf die Innere.
Aber auch " innere Ausstrahlung" ist aus meiner Sicht nicht jedem vorbehalten. Denn Innere Schönheit entsteht durch positive Charaktereigenschaften – die nicht jedem gegeben sind – und durch Zufriedenheit. Aber dafür braucht es ein gewisses Mass an Gesundheit, Lebensqualität, Entspanntheit und nicht zuletzt, glückliche Lebensumstände.

Ist die Schönheit der Menschen also eine Frage des Wohlstandes?
Man könnte es meinen, wenn man sich die heutige Jugend ansieht. Mehrheitlich doch sehr hübsche Menschen. Zum Vergleich sollte man sich vielleicht wieder einmal Bilder von Jugendlichen aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts ansehen.

Bei der Schönheit der Gegenstände, dem "Design von Gütern", wie man heutzutage sagt, bin ich jedoch davon überzeugt, dass es sich um eine Auswirkung unseres Wohlstandes handelt.
Denn solange die Menschen wenig besitzen, so lange sie um die tägliche Nahrung und das  Lebensnotwendigste kämpfen müssen, bleibt meistens kein Platz für Schönheit. Erst das Beschaffen und dann die Funktionalität, das sind doch bei Mangel und Armut die relevanten Kriterien. Die Schönheit kommt dann meistens erst an dritter Stelle. Zuerst muss Nahrung beschafft werden können. Dann muss sie sättigend und vielleicht noch gesund sein und erst danach ist entscheidend, ob der Apfel makellos rot, die Kartoffeln gleich gross und aalglatt oder, dass das Fleisch von bester Qualität ist.
Wer keinen Mantel besitzt, der wird zuerst auf die Nützlichkeit und die isolierende Wärme achten und erst dann, ob er "schön" ist.

Heute, da wir meistens das Elementare zum Leben haben, gewinnt bei der Bewertung von Gegenständen das Aussehen immer mehr an Bedeutung.
So sind neue technische Errungenschaften meistens kaum von der Schönheit beeinflusst. Man denke an die ersten Autos, Computer oder die ersten mobilen Telefone. Während es Anfangs in erster Linie darum geht, etwas herzustellen das funktioniert, wird die Ästhetik bei zunehmender Konkurrenz zu einem wichtigen Kriterium. Denn, wenn  sich die Produkte funktionell kaum mehr unterscheiden oder alle den Bedürfnissen genügen können, ist das Aussehen oder das Design oft der kaufentscheidende Umstand.
Ich meine sogar, dass je "Unnötiger" der Gegenstand ist, desto mehr ist die Schönheit – nebst dem Preis – der wichtigste Faktor. Die Suche nach dem Schönen steht dann im Mittelpunkt. Oft ist es sogar das Mass aller Dinge. Ich denke da an den Kleidereinkauf und besonders an die dazupassenden Accessoires.

Doch eines ist doch tröstlichen und darf bei all der Schönheit nicht vergessen werden:
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters
sagt richtigerweise das bekannte Sprichwort, das der schottische Philosoph, Ökonom und Historiker David Hume (1711 - 1776) – in seiner Veröffentlichung "Essays moral & political" von 1742 – geprägt hat.

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;)

3 Kommentare :

Dekoratz hat gesagt…

Hallo, lieber Herr Oter - da bin ich wieder.

Schönheit ist heute wie so ziemlich alles auf Tempo ausgelegt - was schön ist, muß es gleich sein, denn wenn wir vorüber hasten, müssen wir es schnell erfassen können - wenn wir flüchtig darüber schauen, muß es äußerlich sofort erkennbar sein.
Im Urlaub schauen wir vielleicht genauer hin, suchen uns aber auch aus, was wir uns "schönes" anschauen wollen.

Ich saß neulich notgedrungen lange einer alten Frau gegenüber. Gut, was ich jetzt gerade schreibe, erfüllt leider ein Klischee, aber es war wirklich so - ihr Gesicht hat sich mir eingeprägt, die großen, tiefen fragenden Augen ... schön ...

Ich grüße herzlich-
Barbara

Eve versus the paradise hat gesagt…

Schönheit wird, meiner Meinung nach, völlig überbewertet. Ein Gesicht ist schön, wenn es ebenmässig ist. Das wird allgemein als schön bezeichnet. Mich aber faszinieren vor allem Gesichter, die nicht der "Norm" entsprechen und allgemein nicht als schön gelten. So kenne ich zum Beispiel einen jungen, der einen Pigmentfehler im Gesicht hat. Die eine Hälfte ist viel brauner als die andere. Und trotzdem bin ich nicht die Einzige, die ihn als schön bezeichnet. Diese Oberflächlichkeit von Leuten, die nur Perfektes als schön bezeichnen und kein Auge für das Besondere haben, kann ich einfach nicht verstehen. Für mich liegt der Reiz im Besondern. Können Sie etwa diese Leute verstehen?

Herr Oter hat gesagt…

@dekoratz:
Schön, dass Du da bist :)

Der Bezug von Geschwindigkeit zu Schönheit ist mir noch gar nie wirklich aufgefallen. Interessant! Ich werde mich mehr darauf achten.

Ich habe mir inzwischen noch überlegt, ob wahre, unvergängliche Schönheit etwas mit dem Natürlichen, Grundsätzlichen oder Ursprünglichen zu tun hat.
Ich kann mir vorstellen, dass eine grandiose Natur, eine liebliche Landschaft, eine schöne Blume oder das naturbelassene, vom Leben gezeichnete Gesicht einer interessanten, älteren Person schon immer von den meisten als "schön" empfunden wurde.


@Eve versus the paradise:
Schön, eine neue, mir noch unbekannte Leserin meines Blogs. Herzlich willkommen.

(Übrigens, man darf hier gerne ein unkompliziertes "du" verwenden, wenn man möchte, ich passe mich dann gerne an)

"Können Sie etwa diese Leute verstehen?" fragen Sie am Schluss Ihres Kommentars.
Nein, kann ich nicht – und es freut mich besonders, dass eine jüngere Person (wie ich aus Ihren beiden Blogs entnehme) es genau so sieht. Es beruhigt mich, dass meine Ansicht über die "Oberflächlichkeit in der heutigen Gesellschaft" nicht eine "Alterserscheinung" ist.

Ich kenne ebenfalls mehrere (und zähle mich auch dazu), die gerade ein "unnormiertes" Gesicht faszinierend finden – eine Zahnlücke vielleicht, ein Muttermal oder zwei ungleiche Augen.
Liegt nicht gerade im Besonderen der Reiz des Lebens?


Ich wünsche darum Euch beiden einen besonders schönen Tag mit viel Sonne und dem einen oder anderen besonders schönen Gesicht, vielleicht sogar mit einem Lächeln.

Liebe Grüsse
Resunad