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Montag, 5. Januar 2015

Schnee




 
Schnee

Vor einigen Tagen gab es bei uns wieder einmal richtig Schnee - so, wie schon lange nicht mehr. In der ersten Zeit, als Wege und Bäume noch dick mit dem flaumigen Weiss überzogen waren, wähnte man sich in einem Märchenland, so wunderschön zeigte sich die glitzernde Pracht im Sonnenschein. Mir hat dieser Anflug von „tiefem Winter“ richtig gefallen.
Inzwischen sind die Wiesen bereits wieder grün, die Bäume wieder schwarz, genau so, wie die geteerten Strassen. Die meisten Autofahrer werden froh darüber sein, denn während dem Schneetreiben zwischen Weihnachten und Neujahr, waren viele von ihnen mit dem glitschigen Weiss heillos überfordert. Die Zeitungen mit den grossen Buchstaben schrieben von „Schnee-Chaos“, „Winter-Inferno“ und, „nichts geht mehr bei der Bahn und auf der Strasse“ – und das wegen 20 - 30 cm Neuschnee.
Wie hat man das bloss früher gemacht?



«Ich erinnere mich dabei an meine Kindheit, als der Schnee so hoch lag, dass wir uns, ohne das Gartentürchen zu öffnen, über den Gartenzaun auf den Schulweg machen konnten. Hüfthoch stapften wir dann dem Eisenbahndamm entlang, bis wir auf eine gepflügte Strasse kamen.
Gepflügt wurde zu dieser Zeit noch mit einem Holzpflug und zwei bis vier Pferden. Zwei dicke, mit Eisen beschlagene Bretter wurden dabei keilförmig zusammengebracht und quer dazwischen mit einem breiten Balken versehen. Mit diesem verstellbaren Spreizbalken konnte die Breite des Keilpfluges je nach Strassenbreite verengt oder erweitert werden. Je weiter vorne der Balken eingesetzt wurde, desto breiter die gepflügte Spur. War zu viel Neuschnee gefallen, musste dann jeweils eine schmalere Spur genügen, damit die vorgespannten Pferdestärken ausreichten. Aber bei dem schwachen Verkehr im Winter von damals, war das kein Problem.
Auf dem Spreizbalken war ein breites Brett angebracht, auf dem drei oder vier Männer hockten, um dem Pflug das nötige Gewicht zu geben. Dabei hielten sie ihre Schneeschaufeln aus Holz senkrecht in die Höhe, um sie nötigenfalls zum Einsatz zu bringen. Das war eine gute Einnahmequelle für die zahlreichen Bauern in unserem Dorf, die früher viel unproduktive Zeit im Winter hatten. Einen dicken „Stumpen“ oder eine „es Pfiffli“ gehörte bei den Mannen natürlich auch dazu. An den Qualm kann ich mich noch gut erinnern, er schwebte danach noch für kurze Zeit in der Luft, genau so wie der penetrante Geruch der Pferde. Manchmal gab es unterwegs für die Männer auch etwas zu trinken, wenn sie einer älteren Frau den Hauszugang freischaufelten und vereinzelt durften wir Kinder sogar ein Stück mitfahren. Ja, man hatte zu jener Zeit noch viel mehr Zeit.
Diese Holzpflüge räumten natürlich nicht so sauber wie heute und so wurde die festgefahrene Schneedecke auf der Strasse immer dicker und spiegelglatt. Das Salzen der winterlichen Strassen war bei uns damals nicht üblich. Grosse und wichtige Wege wurden gekieselt. Bei breiten Strassen jedoch nur die beiden Seitenränder und bei Schmalen nur eine. Auch mit dem Kies ging man sparsam um, zu jener Zeit. Im Frühling übrigens, wurden die Steinchen dann wieder zusammengefegt, damit sie im nächsten Winter wieder eingesetzt werden konnten. Oft war der Kies auf dem Pferdeanhänger gefroren und musste mit dem Pickel zuerst gelöst werden, bevor er gestreut werden konnte.

Diese spiegelglatten Strassen waren für uns Kinder natürlich ein ideales Spielfeld. Im Stampfacker, dem Ortsteil in der Ebene, liess sich wunderbar Hockey spielen. Oben im „Tobel“, dort wo es besonders steil war, gab es eine dutzende Meter lange, eisige Rutschbahn, und in den „Bövel“, dem Hang über dem Dorf, liess sich am Mittwochnachmittag wunderbar Skifahren und Schanzenspringen. Ganz einfach: Schnee wurde gestampft, Schanze wurde aufgehäuft und dann konnte man dem Wintersport frönen – einfach ein langes Hinaufgestiegen, für eine sehr kurze Abfahrt – die Jugend damals war schon recht anspruchslos.

Unten und oben im Dorf verbindet die „Rüfigasse“. Sie wurde für die Fussgänger nur auf einer Seite schmal gekieselt. So wurde unser langer Schulweg hinauf ins Dorf zur perfekten Schlittenpiste; und sie gehörte dann ganz uns Kindern.
Autofahrer und Anwohner hatten Rücksicht auf die „Schlittler“ zu nehmen. So unglaublich es klingt: Es wurde weitgehend respektiert. Um ins Dorf zu gelangen, machten die wenigen Autofahrer einen kleinen Umweg über die parallel verlaufende, grössere Dorfstrasse. Auf der war das Schlitteln verboten und die spitzigen Steinchen wurden dort auch grosszügiger verteilt. Die Anwohner der „Rüfigasse“ fuhren dann auch meistens im Einbahnverkehr von oben nach unten. Aus Rücksicht auf uns „Schlittler“– und, damit sie keine Schneeketten montieren mussten um die Peinlichkeit eines steckengebliebenen, „spuhlenden“ Fahrzeugs zu vermeiden. Klar, es gab auch ein oder zwei AnwohnerInnen, die das laute Treiben der Dorfjugend störte. Die streuten dann nachts ihre Asche auf die Strasse, damit man ruckartig vom Schlitten flog. Aber solche Hemmnisse wurden von uns schnell wieder entfernt oder überdeckt.
Vom Theilacker im Oberdorf bis in den Stampfacker in der Ebene – wenn die Schranke der RhB offen stand. Sonst musste man im letzten Moment noch schnell kräftig nach rechts zum Bahnhof abdrehen – aber passiert ist nie etwas, soviel ich weiss.

Damals gab es nur Holz-Schlitten, meistens „Davoser-Schlitten“ aus Eschenholz gefertigt.
 

 Davoser Schlitten


Erst später hatten die Ersten dann Schlittenmodelle aus Leichtmetall.

Beim Schlittenfahren herrscht Ordnung. Dafür sorgten die Grossen. Vorrecht hatten die „Büchler“ – die bäuchlings und kopfvoran auf dem Schlitten lagen. Gesteuert wurde mit den Schuhen und gebremst mittels Anheben der Schlittenvorderseite.
Aber die absolute Königsdisziplin war dabei die „Kettenbildung“: Bäuchlings auf den Schlitten liegend bildete man eine möglichst lange Kette, indem man jeweils im Schlitten des Hintermanns mit den Füssen einhakte. So wurden ein halbes Dutzend und mehr Schlitten miteinander verbunden. Wenn der Vorderste, meistens einer der Grossen, dann noch mit Karacho in Schlangenlinie die „Gasse“ hinunterfuhr, dann landete mehr als einer, meistens die Hintersten, auf der Strasse oder kopfvoran im Schnee.
Diese langen Ketten waren gefährlich, denn sie waren am Schnellsten unterwegs und Bremsen war kaum mehr möglich. Sie kamen dafür auch am Weitesten, weit über den Bahnübergang hinaus. Aber wehe, wenn die Barriere geschlossen war –in der engen Rechtskurve "spickte" es dann fast jeden vom Schlitten und wenn mutige Mädchen darunter waren, gab es willkommenen, engeren Kontakt zum anderen Geschlecht im nächsten Schneehaufen.

Wer aufrecht sitzend fuhr, war ein „Hosaschiesser“ oder ein Mädchen. Das mitgeführte „Milchkesseli“ war auch nur bedingt eine Ausrede dafür. So ist mancher Liter Milch auf der Strecke geblieben und manches „Pfünderli“ Brot vom Theilacker, nur in dünnes Seidenpapier gepackt, während der rasanten Dorfabfahrt im Schnee gelandet. Manchmal musste man auch eine Beule oder einen Zahnverlust beklagen, aber das änderte nichts an unserer Faszination am „Böbla“, trotz den Verboten der Erwachsenen.»

(Auszug aus den Memoiren des Herrn Oter)


Ja, die Winter mit viel Schnee waren schon eine tolle Zeit für uns Kinder.
Weisse Weihnachten war vermutlich schon damals nicht immer. Aber irgendwann kam das Weiss dann trotzdem und meistens in viel grösseren Mengen als heute. Auch war die weisse Pracht in der Regel nicht schon nach einer Woche wieder vorbei – wie in diesem Jahr, in dem man die Weihnachtsbeleuchtung am 5. Tag des neuen Jahres bei Frühlingswetter "einwintern" konnte.

Da frage ich mich, ob unsere Urenkel auch noch regelmässig weisse Wintertage erleben werden?





;)







 


2 Kommentare :

Sadie´sGedankenfülle hat gesagt…

Hallo,
es ist immer wieder schön in den alten Zeiten zu schwelgen. Auch ich kann mich noch sehr gut an die strengen Winter mit Unmengen an Schnee erinnern und natürlich ans "Schlittenfahren" selbstverständlich gab es auch nur Holzschlitten, aber das tat der Freude keinen Abbruch. Ich bin allerdings meistens gefahren wie ein Mädchen ;-) wenn ich so auf die Burschen geguckt habe, da wurde mir Angst und Bange.
Die Frage ob unsere Enkel auch noch in diesen Genuss kommen, die stelle ich mir sehr oft.
LG und einen schönen Tag.
Sadie

Herr Oter hat gesagt…

Herzlichen Dank, Sadie, für Deinen Kommentar.

Leider war der Winter bei uns bis jetzt ein sehr kurzes Vergnügen. Nach einer Woche war auf 700 müM alles wieder grün.
Aber vielleicht kommt es ja nochmals so richtig toll.

Ganz langfristig macht mir diese Erwärmung keine Sorgen - solche Perioden hat es schon immer gegeben. Doch kurzfristig könnte es für unsere Urenkel schön vermehrt wenig oder keine Schnee geben.

Auch einen schönen Tag und liebe Grüsse
Resunad